logo

3rd international dance exchange project & symposium
butoh meets modern contemporary dance

 eX... it!'03
 
from
1st - 17th August 2003
at
schloss broellin
international theatre research location

Archive

art direction:  Yumiko Yoshioka & delta RA'i
production management:  Caprice Ennulat

eX...it!´03 - Symposium





Phänomenologie des Leibes – Asien und Europa
Eine Begegnung zwischen Tanz und Philosophie


Konzeptentwurf von Priv. Doz. Dr. phil. Rolf Elberfeld

Leiblichkeit ist der Nullpunkt all unserer weltlichen Erfahrungen. Als „Bewegungsorgan“ ist er unsere Möglichkeit, Situationen aufzubauen und kreativ umzugestalten. Unser Leib befindet sich in ständiger Bewegung, auch im Schlaf steht er nicht still. „Leibliche Bewegung“ ist somit grundlegendes Medium menschlichen Lebens überhaupt. Nur der physische Tod zerstört den Leib als Orientierungszentrum unserer Erfahrung.

In der europäischen Philosophie wurde der Leib erst sehr spät als zentrales Medium aller menschlichen Erfahrungen entdeckt und positiv in die Reflexion einbezogen. Er wurde nicht mehr nur als Ding unter anderen Dingen gesehen, sondern in seiner eigenen Weise der Welterschließung beschrieben. „Mein Leib ist nicht einfach ein Gegenstand unter all den anderen Gegenständen, ein Komplex von Sinnesqualitäten unter anderen, er ist ein für alle anderen Gegenstände empfindlicher Gegenstand, der allen Tönen ihre Resonanz gibt, mit allen Farben mitschwingt und allen Worten durch die Art und Weise, in der er sie aufnimmt ihre ursprüngliche Bedeutung verleiht.“ (1)

In der asiatischen Philosophie (Indien, China, Korea, Japan) hat der Leib von Anfang an eine grundlegende Rolle gespielt, da es zentral immer auch darum ging, jegliches Wissen und jede Erkenntnis im leiblichen Handeln zu realisieren. Erkenntnis als solche nur um der Erkenntnis willen scheint zumindest im Buddhismus, Daoismus und Konfuzianismus als unzureichend. Auf diesem Hintergrund haben sich verschiedene Praktiken entwickelt, die ein bestimmtes Wissen entwickeln aber auch ‚Wissen’ in leibliche Bewegung überführen kann, um z.B. ethisch gut zu handeln. Inzwischen ist die Beschreibung der Leiblichkeit auf dieser Ebene auch für die Phänomenologie fruchtbar gemacht worden.
„Die Betrachtung der Leiblichkeit unter dem Aspekt der Schulung der religiösen Übung und verschiedener traditioneller Kulturgestaltungen wie Theaterwesen, Literatur, bildende Kunst und Kampfkunst liefert uns deswegen einen sehr interessanten Ansatz, weil eine solche Schulung nicht als Erlernen einer Technik zur Beherrschung des Leibes betrachtet wird, sondern als ein Prozeß, in dessen entscheidenden Phasen eine die ganze Person betreffende, existentielle Teilnahme an der Übung gefordert wird; die Schulung ist daher weder eine mechanische Übung des Körpers noch eine rein ‚geistige’ Übung, sondern eine Schulung, die ungeachtet dieser Differenz mit der ganzen Existenz geübt wird.“ (2)

Tanz als die künstlerische Ausdrucksform, in der die Leiblichkeit in all ihren Dimensionen erkundet wird, entwickelt sich in Europa – in gewisser Parallele zur Philosophie – erst sehr spät als eigenständige Kunstform. In Indien spielte der Tanz hingegen schon sehr früh eine überragende Rolle in der Hierarchie der Künste. (3)
In Japan und Korea waren es die „Schamaninnen“ (Miko und Mudang), die den Tanz in ritueller Form entwickelt haben. Seit dem 20. Jahrhundert entwickeln sich verschiedenste eigenständig Richtungen des Tanzes in westlichen und asiatischen Welt. Der moderne Ausdruckstanz, Modern Dance, Tanztheater, Butoh und andere sich inzwischen gegenseitig beeinflussende Richtungen bieten philosophischen gesprochen eine Phänomenologie des Leibes, die bisher noch kaum für die Philosophie und in ihre Reflexionen zur Leiblichkeit fruchtbar gemacht worden sind.
All diese Tanzrichtungen experimentieren mit den Möglichkeiten leiblicher Bewegung und Empfindsamkeit. Immer weniger steht dabei im Vordergrund im Tanz eine bestimmte Geschichte oder Ähnliches zu erzählen, vielmehr sollen neue Formen leiblicher Wahrnehmung und Kommunikation erkundet werden, die nur im Medium des Tanzes realisiert werden können.
Die verschiedenen Formen des Tanzes bieten somit ein Experimentierfeld leiblicher Wahrnehmung, das eine direkte Parallele zur Phänomenologie des Leibes in der gegenwärtigen phänomenologischen Philosophie findet. Daß dabei gerade dieser Ansatz in der modernen japanischen Philosophie eine besondere Rolle spielt, scheint auch mit den überlieferten Erfahrungen der Leiblichkeit in der ostasiatischen Tradition verbunden zu sein.

Das Projekt will diese verschiedenen Entwicklungen zusammenführen und eine gegenseitige Befruchtung ermöglichen. Die beiden vorangegangenen Projekte werden somit konsequent weiterentwickelt.

------
(1) Maurice Merleau-Ponty, Phänomenologie der Wahrnehmung, Berlin 1966, 276.
(2)Ichiro Yamaguchi, Ki als leibhaftige Vernunft. Beitrag zur interkulturellen Phänomenologie der Leiblichkeit, München 1997, 23.
(3) Vgl. hierzu das Natyasastra, dem Grundwerk zum indischen Tanzdrama von Bharata.

Sorry, no english translation possible so far.